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Deutschlands Zulieferindustrie befindet sich weiterhin in tiefer Strukturkrise. Konjunkturelle Impulse wären dringend erforderlich. Das Jahr 2025 steht unter schwierigen Vorzeichen. Die Erwartungen an die neue Bundesregierung sind sehr groß. Die angekündigten US-Zölle auf Automobile und Automobilteile aus Europa verschärfen die Standortdebatte. Der erstmalig erhobene ArGeZ-Zulieferindex offenbart Probleme in den Zulieferbeziehungen bei der Absatzplanung.

Die Deutsche Zulieferindustrie befindet sich tief in der Strukturkrise. Auch das Jahr 2024 war kein gutes Jahr für das Rückgrat der deutschen Industrie. So gab die Produktion um 4,9 Prozent nach. Auch der Umsatz liegt mit einem Minus von 4,7 Prozent deutlich unter Vorjahr. Vor dem Hintergrund der schwierigen Lage in den wichtigen Kundenbranchen – allen voran der Automobilindustrie, gefolgt vom Maschinenbau und der Bauindustrie – sind diese Zahlen nicht  verwunderlich. Dass die Exportquote derweil auf 41,7 Prozent gestiegen ist, muss kritisch betrachtet werden. So ist die steigende Exportquote leider kein Zeugnis davon, dass die deutsche Zulieferindustrie in der jüngeren Vergangenheit an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen konnte und sich weiter internationalisiert.

Im Gegenteil: Das Auslandsgeschäft steht erheblich unter Druck, doch im abgelaufenen Jahr war die Situation im Inland noch angespannter. Die zunehmende Eskalation in der Handelspolitik kommt daher zur Unzeit. Dabei wären mit Blick auf die äußerst niedrige Kapazitätsauslastung von zuletzt nur noch 71,7 Prozent Nachfrageimpulse dringend notwendig, auch um dem Beschäftigungsabbau entgegenzuwirken. Schließlich mussten die deutschen Zulieferer im Jahr 2024 mit 20.000 Beschäftigten rund 2,4 Prozent Personal abbauen.

Zwar hat sich das ifo-Geschäftsklima der deutschen Zulieferindustrie zuletzt leicht verbessert, doch leitet sich hiervon noch keine Erholung in der Breite ab. Wenngleich sich zuletzt das Stimmungsbild im Vergleich zum Vorjahrestief von -36,4 Punkten vom Dezember verbessert hat, ist es mit saisonbereinigten -29,7 Saldenpunkten noch deutlich im negativen Bereich. Auch bedeutet dies eine abermalige Verschlechterung im Vorjahresvergleich. Dabei beurteilen die deutschen Zulieferer ihre aktuelle Geschäftslage noch schlechter als die Erwartungen für die kommenden sechs Monate. Lediglich zwölf Prozent der Branche bewerten die Lage gegenwärtig als „gut“. Schlechter bewertete man die Lage lediglich in der 2. Strukturkrise zu Beginn der 1990er Jahre, während der Finanzkrise und zur Hochzeit der Coronapandemie.

Im Unterschied zu diesen drei Krisenphasen dümpelt nun jedoch die Erwartungshaltung seit drei Jahren im negativen Bereich. Ein Blick auf die Auftragslage bestätigt dies. So steht auch das Jahr 2025 unter schwierigen konjunkturellen und strukturellen Vorzeichen.

Die ArGeZ hat erstmalig einen Zulieferindex erstellt. Dafür wurden Zulieferer von acht in Deutschland produzierenden PKW-Herstellern (VW, Audi, Porsche, Mercedes-Benz, BMW, Ford, Opel und Tesla) und von Daimler Truck sowie MAN befragt. An der Befragung haben 173 Zulieferer teilgenommen, die 388 Herstellerbewertungen abgegeben haben. Hier zeigte sich, wie sehr auch noch heute der Mittelstand eine tragende Säule der Fahrzeugherstellung ist. Rund die Hälfte der Unternehmen beschäftigt dabei weniger als 250 Mitarbeiter und ein Fünftel mehr als eintausend. Die Hauptabnehmer sind die Volkswagengruppe, BMW und Mercedes-Benz, die 75% aller Bewertungen auf sich vereinigt haben.

Im Fokus der Befragung, deren erste Auswertungsergebnisse der ArGeZ vorliegen, steht der gesamte Lebenszyklus der Kunden-Lieferanten-Beziehung von der Produktentstehung bis hin zur langfristigen Geschäftsbeziehung. Keines der fünf Kriterien konnte mehr als 76 Punkte (von 100) erreichen. Am unteren Ende des Zulieferindex ging auch kein Kriterium unter 30 Punkte. Ob das eine gute Basis für eine belastbare Zusammenarbeit ist, werden weitere Auswertungen zeigen.

Erfreulich ist, dass die Zahlungsmoral (Kriterium Zahlungsverhalten und Einhalten von Vereinbarungen) mit einem Durchschnittswert von 66,5 Punkten am besten bewertet wurde, gefolgt vom Umgang miteinander bei Reklamationen, in Konfliktfällen und bei exogenen Schocks mit 62,3 Punkten. Auch die Zusammenarbeit in der Entwicklung und bei Freigabeprozessen liegt mit 61,8 Punkten auf den vorderen Plätzen. Kritischer wird die Situation beurteilt, wenn es um faire Vertragsgestaltung geht (47,5 Punkte). Hier fühlt sich eine Mehrheit nicht auf Augenhöhe behandelt. Fast gleich auf liegt die Bewertung mit 47,3 Punkten, wenn es um die operative Zusammenarbeit geht. In diesem Kriterium werden u.a. Themen wie überzogene bürokratische Nachweispflichten, Transparenz und Zuverlässigkeit in der Absatzplanung bewertet. Innerhalb der fünf Kriterien gibt es eine Gruppe von Herstellern, die einen wertschätzenderen Umgang mit ihren Lieferanten pflegt, zu denen auch die LKW-Hersteller gehören. Auch gibt es ein sehr klares Schlusslicht.

In der weiteren Analyse werden jetzt Gespräche mit den bewerteten Herstellern geführt, um hier die Erkenntnisse zu teilen und nach Möglichkeiten der Verbesserung zu suchen. „Die Auswertung zeigt, dass einiges an Potenzial in der vertrauensvollen Zusammenarbeit verschenkt wird, welches am Ende nur zu Mehrkosten auf beiden Seiten führt“, ist sich Michael Weigelt, Geschäftsführer von TecPart, aus seiner eigenen Unternehmerpraxis sicher.

Derweil wird von der neuen Bundesregierung eine echte Wirtschaftswende erwartet. Die Hauptprobleme der Zulieferer sind nach wie vor die rückläufige Auftragslage und die nicht mehr wettbewerbsfähigen Standortfaktoren. Hinzu kommen jetzt auch noch US-Zölle auf Automobile und Automobilteile.

Zu den Standortfaktoren liegen nun Textentwürfe der Verhandler von CDU/CSU und SPD vor, die einerseits – z.B. beim Bürokratieabbau – Mut machen, aber andererseits auch neue Belastungen – z.B. durch Steuererhöhungen – bringen könnten. Die vergleichsweise hohen Arbeitskosten in Deutschland sind auch auf die zu hohen Sozialabgaben zurückzuführen, die zurückgeführt werden müssen. Dazu scheint sich die mögliche Koalition nicht durchringen zu können. Dringend erforderlich wäre eine Erhöhung der Produktivität durch Automatisierung. Im Moment investieren die Zulieferer aber nicht und schieben Investitionsentscheidungen in die Zukunft.

Diese Zurückhaltung muss jetzt aufgebrochen werden. Wichtig ist zudem, dass die Energiekosten schnell sinken, indem z.B. die Netzentgelte spürbar abgesenkt werden. Die potenziellen Koalitionäre versprechen den Unternehmen eine Absenkung des Strompreises um 5 Ct./kWh. Wenn sie dabei die bereits erfolgte Absenkung der Stromsteuer auf den europäischen Mindestsatz mitrechnen, wird die Stromrechnung aber nur um rund 3 Ct./kWh reduziert. Das reicht nicht für einen wettbewerbsfähigen Strompreis.

Auch der Gaspreis muss von staatlichen Abgaben entlastet werden, solange kein Wasserstoff verfügbar ist. Und nicht zuletzt müssen die Bürokratiekosten sinken, indem Berichtspflichten abgeschafft werden und Verfahren digitalisiert werden. Beim Bürokratierückbau machen die Signale aus den Koalitionsverhandlungen durchaus Mut, denn einige Belastungen sollen danach zurückgebaut werden.

Die Ankündigung der US-Regierung, Zölle von 25% auf Automobile ab April und auf Autoteile ab Mai zu erheben, befeuert die Standortdebatte weiter. Die Beurteilung aus Sicht der Zulieferer auf der Grundlage des bislang Bekannten fällt unterschiedlich aus: Bei manchen Zulieferteilen wird der US-Kunde den Preisaufschlag tragen, da kein vergleichbares heimisches Angebot existiert. Zum Teil wird auch Produktion in die USA gehen, insbesondere bei global aufgestellten Zulieferern. Es wird aber auch dazu kommen, dass Aufträge aus den USA einfach wegbrechen. Man wird das im Einzelfall nach Inkrafttreten der Zölle sehen. Die Lage scheint für rein national aufgestellte Zulieferbetriebe problematischer zu werden als für global aufgestellte Zulieferer.

Die Automobilzulieferer werden auch mittelbar über die Strategien ihrer Kunden betroffen sein. Denn die Hersteller werden ihre Produktion und Wertschöpfungsketten auf die US-Handelsbarrieren einstellen. Und wenn die Automobilhersteller Produktion aus Deutschland und Europa abziehen, verlieren in der Regel gerade kleinere Zulieferer Aufträge, weil sie oft selbst nicht global aufgestellt sind. „Die EU-Kommission muss jetzt geschickt verhandeln und erreichen, dass so weit wie möglich keine Zölle kommen. Das ist in der Vergangenheit erfolgreich gelungen und sollte sich wiederholen“, so Christian Vietmeyer, Sprecher der ArGeZ.

Pressefoto Vietmeyer

Pressefoto Weigelt