Vor zwei Jahren wurde das neue Modell von Tesla noch als interessanter Exot bewertet, heute weiß man: das Auto ist gut und elektrisch fahren macht Spaß!
Geschützt durch die Reichweitenbeschränkung, Ladezeiten und noch hohen Preise, aber auch durch die Entwicklungszyklen eines Automobils wird der Verbrennungsmotor nicht in den nächsten sieben Jahren abgeschafft. Jedoch werden Gesetzgebungsverfahren dafür sorgen, dass in einige chinesische Millionenstädte nur noch E-Fahrzeuge einfahren dürfen. Europäische Metropolen planen ähnliche Schritte, z.B. London.
Welche Veränderungen zeichnen sich ab?
Der Antriebsstrang von Elektroautos hat statt durchschnittlich 1200 Teilen nur noch rund 300 Teile. Betroffen sind alle Komponenten rund um den Motor und das Getriebe. Mit der Hybridisierung stehen bereits die Getriebebauer vor einer disruptiven Veränderung, welche die Motorenbauer dann im zweiten Schritt erfassen wird, wenn auch der Verbrenner als Range-Extender vom Markt verschwindet.
Von den Automobilsten ist zu hören, dass die Entwicklungszyklen für Verbrennungsmotoren länger werden, d.h. heute entwickelte Verbrennungsmotoren werden mindestens für die nächsten zehn Jahre die Basis dieses Antriebs sein. Für großvolumige Motoren dürfte der Zyklus noch größer sein. Das wiederum heißt keine Neuentwicklung von Teilen, und die Teile die es gibt, werden eher weniger gebraucht.
Für uns als die Kunststoff verarbeitende Zulieferindustrie bedeutet dies für das Segment Powertrain im schlechtesten Fall den Stillstand des Volumenwachstums. Für andere Verarbeiter aus der Branche öffnen sich enorme Chancen zu neuen Produkten. Die zunehmend leiser werdenden Fahrzeuge wecken neue Erwartungen und somit Kunststoffanwendungsmöglichkeiten im Innenraum. Unterhaltungselektronik eingepackt in Kunststoffkonsolen mit hochwertiger Haptik und Oberfläche wird das heutige Angebot weiter ausbauen. In Kunststoff integrierte Sensoren werden den Weg zum autonomen Fahrzeug weiter unterstützen. Und wie zu erwarten ist bei innovativen Lösungen der Kunststoff immer vorne mit dabei. Bei batteriegetriebenen Fahrzeugen wird der Trend zum Leichtbau nur mit Kunststoff möglich sein, sei es als Organoblech oder in der Form anderer innovativer Verbindungen zwischen Metall und polymeren Werkstoffen. Ferner werden Kunststoffkomponenten im elektronischen Antriebsstrang unter anderem als Stecker für Kabelstränge oder Halterungen für Batteriesysteme benötigt werden. Last but not least wird der zukünftig leere Motorraum bestimmt mit Kunststoffprodukten ausgekleidet sein. Der Kunststoff bleibt der Werkstoff des 21. Jahrhunderts und der Möglichmacher der automobilen Zukunft bei klassischen wie neuen Antriebskonzepten. Wir Kunststoffverarbeiter bleiben die Innovationsrakete und stehen unseren Partnern unverändert aktiv bei den kommenden Herausforderungen zur Seite.
Die Durchdringung von alternativen Antrieben wird dennoch Zeit brauchen. Schätzungen von PWC und IHS gehen für Deutschland und die Welt von einem Elektroanteil bei den Zulassungen in 2025 von 20 bis 30 Prozent aus. Weltweit werden dann bezogen auf heute rund 30 Prozent mehr Fahrzeuge gebaut. Dies heißt im Umkehrschluss, dass nicht wirklich viel weniger Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren gebaut werden. Und selbst bei 50 Prozent Elektroanteil würden rund 65 Millionen Fahrzeuge einen Verbrenner haben!
Welches Szenario auch kommt – jedes ist eine neue Chance für die Kunststoff verarbeitende Zulieferindustrie!
Felix Loose
Geschäftsführer Agor GmbH
Vorstandsvorsitzender GKV/TecPart-Verband Technische Kunststoff-Produkte e.V.
aus dem Gastkommentar "Kunststoff-Information" vom 27.März 2017